Nachhaltige Entwicklung interkulturell gesehen Deutsch-russische Perspektiven 2012

Nachhaltige Entwicklung interkulturell gesehen Deutsch-russische Perspektiven

Projektarbeit des Berufskollegs Eschweiler der StädteRegion Aachen und der Pksover Staatlichen Universität in Eschweiler und Otzenhausen

vom 6. bis 17. November 2012

Dienstag, 6. November

In der Schule herrscht starke Anspannung, weil die Schulinspektion im Hause ist. Und nun auch noch eine Gruppe unserer russischen Partnerschule aus Pskov! Schon früh morgens erhalte ich eine Mail von meiner Kollegin Olga: Eine Schülerin ist leider erkrankt und musste zu Hause bleiben. Gastschüler Fedor, der aus Kasachstan kommt, ist natürlich sehr traurig, aber er wird trotzdem an den gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen, denn im Frühjahr nächsten Jahres will er mit nach Pskov fahren.

Nachmittags fahre ich mit einem Reisebus nach Düsseldorf zum Flughafen. Alle russischen Schülerinnen und Schüler stehen mit ihren beiden Begleitern Olga Obratneva und Igor Savraev in der Ankunftshalle – der Flug war 15 Minuten zu früh gelandet. Schon um 19 Uhr kommen wir in Eschweiler am Berufskolleg an und werden von den deutschen Gastschülern mit ihren Eltern erwartet. Die meisten kennen sich bereits durch E-Mail oder Facebook-Kontakte und sind neugierig darauf, die Gäste persönlich kennenzulernen. Dieses Mal haben wir auch vier Gastfamilien, in denen russisch gesprochen wird und einige der russischen Schüler sprechen relativ gut deutsch – dies verspricht eine gute Kommunikationsgrundlage für die kommende Woche.

Mittwoch, 7. November

Um 8 Uhr morgens treffen sich alle im Berufskolleg zu einem ersten näheren Kennenlernen. Damit die deutschen und russischen Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch kommen, haben wir ein „Speed-Dating“ in Form eines Kugellagers vorbereitet. Die russischen Schüler sitzen im Innenkreis und die deutschen im Außenkreis. Jeder spricht mit seinem Gegenüber: Alter, Hobbies, Familie sind nur einige der Themen, die zur Auswahl stehen. Nach drei Minuten rücken die deutschen Schüler einen Platz weiter nach rechts und die Gesprächspartner wechseln. Nach angeregten Gesprächen und einer kleinen Pause mit Getränken und Keksen schreiben alle auf verschiedene Plakate, was sie für „typisch russisch“ oder „typisch deutsch“ halten. Auffällig ist, dass die russischen Schüler eine sehr positive Vorstellung von Deutschland haben, während die deutschen hier eher sehr selbstkritisch sind. Bleibt abzuwarten, wie es am Ende des Projekts mit der Meinung der russischen Schüler aussieht. Ob Russland vorwiegend aus Wodka, Kälte und schönen Frauen besteht, können die deutschen Schüler hingegen im Frühjahr in Pskov selbst überprüfen...

Danach begrüßt unser neuer Schulleiter, Herr Thomas Gurdon, die deutsch-russische Gruppe. Er hebt hervor, dass dieses Projekt für die Schule und die Schüler sehr wichtig ist: Sein Großvater war während des 2. Weltkrieges in Russland, allerdings als Soldat. Und ähnliche Erfahrungen gibt es in vielen Familien. Unsere Begegnung ist auch eine Form der Friedensarbeit: Man schießt nicht auf Leute, die man kennt, die man in seiner Wohnung beherbergt hat.

Nach einer kurzen Pause werden die Schülerinnen und Schüler von den deutschen Kollegen Björn Kammann und Christoph Happe zum Sportunterricht abgeholt. In der Halle finden weitere Spiele zum Kennenlernen – vor allem zum Lernen der Namen statt. Durch kooperative sportliche Aktivitäten wie „Rollstuhl-Basketball“ lernen russische und deutsche Schüler, miteinander aktiv zu werden.

In der 5. Stunde nehmen die Gäste am Unterricht ihrer Gastschüler statt und der Vormittag endet mit einem gemeinsamen Mittagessen – Chili con Carne und Grünkohl mit Mettwurst stehen zur Auswahl. Der Renner ist allerdings: Chili mit Mettwurst, eine ausgesprochen interessante Kombination!

Der Nachmittag beginnt mit einem Besuch beim Eschweiler Bürgermeister, Rudi Bertram. Nach einem kurzen Einführungsvortrag kommt es zu einer regen Unterhaltung über kommunale Probleme in Eschweiler. Unser ehemaliger Kollege, Josef Stiel, führt im Anschluss an den Besuch die russische Gruppe durch die Stadt und zeigt den Gästen die interessanten Punkte des Eschweiler Stadtbildes. Josef war in den Jahren vor seiner Pensionierung mehrmals als begleitender Lehrer mit in Pskov und nimmt noch immer aktiv an der Programmgestaltung der deutsch-russischen Begegnungen teil.

Pünktlich um 17 Uhr holen die deutschen Schüler ihre russischen Gäste auf dem Marktplatz ab. Etwas länger dauert es jedoch, bis man sich auf eine gemeinsame Abendgestaltung geeinigt hat. Die russischen Kollegen bekommen heute Abend ein Privatkonzert der „After School Jazzband“, die mittwochs immer im Berufskolleg probt. Danach gehen wir gemeinsam im Steakhaus essen – der Abschluss eines sehr „programmreichen“ Tages.

Donnerstag, 8. November

Morgens nehmen die russischen Schüler zuerst am Unterricht ihrer Gastschüler teil. Einige sind danach der Meinung, in Deutschland werde zu wenig in den Stunden gelernt. Das finden wir Lehrer manchmal auch so! Wir gehen gemeinsam zum Hauptbahnhof und fahren mit dem Zug nach Köln. Dort erwartet uns ein russischer Stadtführer, der uns die Sehenswürdigkeiten von Köln in unterhaltsamer Art in beiden Sprachen erklärt. Den Abschluss bildet eine ausführliche Domführung. Das Wetter ist etwas kalt, aber durchaus trocken und angenehm. Mittags probieren wir Lehrer mit dem „Max Stark“ eine typische „kölsche“ Gaststätte aus und danach haben alle Gelegenheit, die Haupteinkaufsstraßen zu erkunden.

Gegen 18 Uhr kommen alle ziemlich müde wieder in Eschweiler an. Die Schüler einigen sich wieder auf gemeinsame Unternehmungen, während wir Lehrer bei unserem ehemaligen Kollegen Josef Stiel eingeladen sind. Unser ehemaliger Schulleiter Reinhard Ernst ist zufälligerweise zu Besuch bei seiner Schwester in Roetgen. Er war ebenfalls vor einigen Jahren mit in Pskov zu Besuch und freut sich sehr, die russischen Freunde beim Abendessen in Eschweiler zu treffen.

Freitag, 9. November

Um 10 Uhr sind wir am Kraftwerk in Weisweiler zu einer Tagebaubesichtigung verabredet. Das Thema „Energiegewinnung und –verbrauch“ soll noch in Otzenhausen thematisiert werden und hier in Weisweiler können wir sehen, welche Auswirkung der Tagebau auf die Landschaftsgestaltung und die dörfliche Infrastruktur hat. Viele Dörfer in der Gegend mussten umgesiedelt werden, damit die Kohle für die Energieerzeugung abgebaut werden kann.

Obwohl alles rechtzeitig organisiert wurde, lässt der Führer auf sich warten. Telefonische Rückfragen in der Besucherzentrale (Smartphone sei Dank!) ergeben, dass er kurzfristig erkrankt war und sich auch sehr kurzfristig abgemeldet hat. Leider müssen wir dann fast eine Stunde warten, ehe ein Ersatzmann ankommt. Aber der ist sehr nett und freundlich und wir fahren sofort mit einem dafür ausgerüsteten Bus in den Tagebau. Am Aussichtspunkt „Kleiner Indemann“ erfahren wir wichtige Details über den Kohleabbau und die Verstromung der Kohle. Olga, unsere russische Kollegin, ist inzwischen eine Spezialistin für das Fachvokabular des Tagebaus. Besonders beeindruckend sind die riesigen Bagger und Absetzer, an denen wir vorbeifahren. Leider dürfen wir aus sicherheitstechnischen Gründen nicht aussteigen, können aber aus dem Bus heraus fotografieren.

Zum Schluss fahren wir am umgeleiteten Flussbett der Inde vorbei und nutzen das sonnige Wetter für ein paar Fotos auf einer Brücke. Gegen 13 Uhr sind wir am Kraftwerk zurück, wo alle von ihren Gastfamilien abgeholt werden oder mit dem Bus zurück nach Eschweiler fahren. Der Nachmittag steht für alle zur freien Verfügung und wird zum Schlittschuhfahren und Einkaufen genutzt. Eine Gastmutter, die aus Russland stammt, hat Pelmeni und weiteres russisches Essen für alle Schüler vorbereitet, sodass sie den Abend, ehe es dann für die meisten in die Disko geht, gemeinsam verbringen können.

Wir Lehrer treffen uns bei unserem Kollegen Michael Joußen zum Abendessen. Auch unser Schulleiter Thomas Gurdon ist dabei und in entspannter Atmosphäre genießen wir das hervorragende Essen, das Michael und seine Frau Bettina vorbereitet haben.

Samstag, 10. November

Mit dem Bus der Linie 52 fahren wir zum Aachener Bushof und gehen zu Fuß weiter zum Elisenbrunnen, wo eine russisch sprechende Stadtführerin auf uns wartet. Die deutschen Schüler sind nach der langen Disko-Nacht (manche waren erst um 4 Uhr zu Hause) noch etwas müde und beschließen, ihre Gastschüler am Ende der Führung am Dom abzuholen. So findet die Stadtführerin eine interessierte russische Gruppe vor, die sich die Zeit nimmt, die zahlreichen Aachener Sehenswürdigkeiten zu fotografieren und aufmerksam zuhört.

Das gemeinsame Mittagessen nehmen wir im Stadtteil Burtscheid im „Café M“ ein, das dem Mann einer Kollegin gehört – alle genießen die syrische Küche mit reichhaltigem Büffet. Bereits drei Mal sind wir hier mit unseren russischen Gästen eingekehrt, sodass sich inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis mit Mustafa Ahmad entwickelt hat.

Gut gesättigt fahren wir mit dem Linienbus in die Stadt zurück. Leider hat es in der Zwischenzeit zu regnen begonnen, aber das hält niemanden von einem ausgiebigen Stadtbummel ab. Manche verbringen den Abend mit ihren Gastfamilien in Aachen, andere wiederum fahren zurück nach Eschweiler und verabreden sich zu gemeinsamen Aktivitäten. Die Lehrer treffen sich bei Evi Spennes, der Schreiberin dieses Berichts, wo sie bei Hühnersuppe, Zwiebelkuchen und Eierliköreis weitere deutsche Spezialitäten genießen können. Igor freut sich über neue Erfahrungen.

Sonntag, 11. November

Heute steht wieder ein gemeinsamer Ausflug auf dem Programm, an dem alle Gastschüler und Gäste mit Begeisterung teilnehmen. Die erste Station ist die Kletterhalle „Tivoli Rock“ in Aachen. Michael Joußen hat mit zwei Klettertrainern um 10 Uhr einen Termin vereinbart und alle erhalten eine Einweisung: Wie lege ich den Klettergurt an? Wie kann ich meinen Partner sichern? Welche Kletterrouten gibt es? Und dann geht es auch schon los. Die meisten Mädchen versuchen sich erst einmal an den leichteren Strecken im oberen Hallenbereich, während die Jungs sich direkt an die langen Strecken herantrauen. Schon bald wird klar: Klettern ist anstrengend und geht ganz schön auf die Armmuskulatur. Nach zwei Stunden sind alle erschöpft aber auch glücklich und zufrieden – für die russischen Teilnehmer war die Kletterhalle ein völlig neues Erlebnis.

Und ein weiteres soll noch folgen. Auf besonderen Wunsch fahren wir zum Dreiländereck und besteigen den Turm auf der niederländischen Seite, der erst seit einem Jahr besteht und über einen „Skywalk“ verfügt, sodass man in 35 m Höhe unter sich „ins Leere“ sieht. Man kann Belgien, die Niederlande und Deutschland von hier oben sehen und glücklicherweise ist das bei bestem Sonnenschein heute möglich. Abschließend machen wir noch ein Gruppenfoto am Turm vor den verschiedenen Flaggen. Für die russischen Gäste ist es eine völlig neue Erfahrung, dass drei Länder an einem Punkt vereinigt sind und man das noch nicht einmal bemerkt, weil keine Grenzkontrollen mehr vorhanden sind.

Eigentlich wollten wir dann nach Aachen-Brandt zu einer berühmten Restaurantkette fahren, die bei Erwachsenen eher umstritten, bei Jugendlichen aber sehr beliebt ist. Leider sind die Straßen und Parkplätze aufgrund eines stattfindenden Flohmarkts, von dem wir vorher nichts wussten, völlig blockiert und wir fahren weiter nach Monschau-Imgenbroich, wo wir dann ein entsprechendes Restaurant finden. Nach einer Stärkung geht es bergab ins Tal nach Monschau. Da der Ort sehr übersichtlich ist, hat jeder Zeit für einen Bummel auf eigene Faust. Zudem findet gerade eine Vorführung von Greifvögeln aus Hellenthal statt – es gibt also viel zu sehen. In Monschau sind sonntags immer alle Geschäfte geöffnet und um 17 Uhr kommen alle pünktlich mit vielen neuen Souvenirs in den Bus zurück. Die Abendgestaltung findet in den Gastfamilien statt und die Begleiter fahren zum ersten „Abschiedsessen“ in das Restaurant „Gut Merödgen“.

Montag, 12. November

Zunächst müssen noch die Koffer gepackt werden, denn bei dem Programm der Vorwoche war hierzu doch etwas wenig Zeit. Wir treffen uns um 11:15 Uhr am Berufskolleg. Tränenreich sind die Abschiede von den Gastschülern, die in Eschweiler bleiben. Vier von ihnen fahren allerdings mit nach Otzenhausen zur Europäischen Akademie, denn sie sind Schüler der Klasse WHW12A, einer Unterstufe der Höheren Handelsschule. Mit dieser Klasse, die Französisch lernt, haben wir die Fahrt und die Thematik in besonderem Maße vorbereitet. Ursprünglich sollte das Seminar nämlich mit unserer französischen Partnerschule zusammen in trinationaler Form durchgeführt werden. Leider blockte der neue Schulleiter des Lycée Lamarck in Albert das schon lang geplante Treffen ab und eine alternative Schule aus Lille ebenfalls. Aber die Akademie erklärte sich glücklicherweise bereit, das Seminar trotzdem durchzuführen.

Um 15:30 Uhr kommen wir in Otzenhausen an. Nach der Zimmerverteilung beginnt das Seminar mit einem Kaffeetrinken. In diesem Jahr ist fast die gesamte Gruppe im Haus C untergebracht, wo sich auch die Tagungsräume und –einrichtungen befinden. Willi und Alexander sind, wie in den Jahren zuvor, unsere russischen Dolmetscher. Elke und Laura sind die beiden Teamerinnen – beide studieren interkulturelle Kommunikation in Saarbrücken. Eva Wessela, die früher in der Geschäftsführung der Akademie gearbeitet hat, leitet das Seminar. Nach dem Kaffee werden zunächst die Erwartungen der Seminarteilnehmer in Form einer binationalen Gruppenarbeit abgefragt. Im Vordergrund stehen für die Schüler das gegenseitige Kennenlernen und die gemeinsamen Aktivitäten. Das Thema „Nachhaltigkeit“ spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Was kann der Einzelne im Kleinen dazu beitragen?

Nach dem Abendessen folgen noch Kennenlernaktivitäten durch die Teamerinnen. Zuerst sollen die Schüler in deutsch-russischen Dreierteams mit Hilfe von Post-it-Zetteln die Gegenstände der Akademieräume in zwei Sprachen benennen. In den nächsten Tagen werden wir überall auf dem Gelände gelbe Zettel mit zwei Begriffen in Deutsch und Russisch finden... Das anschließende Spiel zum Kennenlernen der Namen stößt nicht bei allen auf Begeisterung. Es dauert relativ lange, bis alle im Kreis stehen und die Namen der einzelnen Teilnehmer mit einer typischen Bewegung verbinden. Aber die Namen sind danach den meisten bekannt, und das war schließlich der Zweck der Übung!

Dienstag, 13. November

Die Nacht verlief bei der deutschen Gruppe etwas unruhig und um die Gruppe wieder richtig wach zu bekommen, beginnt das Seminar durch „Außenaktivitäten“, die von den Teamerinnen geleitet werden.

Thomas Schmitdtgall von der Universität Saarbrücken zeigt danach in seinem Vortrag, dass interkulturelle Kompetenz eine Schlüsselkompetenz für das Leben und Arbeiten in internationalen Kontexten darstellt. Er geht dabei russischen Verhaltensweisen ein, die von den Seminarteilnehmern lebhaft diskutiert werden. Christoph Happe, Klassenlehrer der WHW12A, demonstriert in einem kurzen Rollenspiel mit Teamerin Laura über das Leben der „Albatrosse“, dass unsere Wahrnehmung des Lebensalltags nicht in allen sozialen Kontexten übereinstimmen muss.

Nach der Mittagspause startet die Seminarleiterin Eva Wessela mit einem Impulsvortrag zum Thema „System Erde“, in welchem die Problematik der Nachhaltigkeit in den Vordergrund gestellt wird, verbunden mit der Frage, was der Einzelne tun kann oder bereits tut, damit nachfolgende Generationen auf dieser Erde noch ein angemessenes Leben führen können. Die Schüler hatten zu dieser Thematik im Vorfeld kurze Präsentationen vorbereitet. Die deutsche Gruppe stellt in einem Kurzvortrag, unterstützt durch eine Power-Point-Präsentation dar, welche Rolle der persönliche Lebensstil spielt, was im Anschluss an die Präsentation im Plenum rege diskutiert wird. An den Umgang mit der Dolmetsch-Anlage und daran, dass man seine Kommentare in ein Mikrofon sprechen muss, hat sich inzwischen jeder gewöhnt.

Nach dem Abendessen haben die beiden begleitenden Lehrer, Evi Spennes und Christoph Happe, die Kegelbahn im Eurobistro reserviert. Vor allem die russischen Schülerinnen und Schüler machen begeistert mit. Die Nacht verläuft erfreulich ruhig und lässt hoffen, dass am nächsten Tag alle im Seminar etwas ausgeschlafener sind.

Mittwoch, 14. November

Der Tag beginnt in der Außenanlage mit einem „Katz- und Mausspiel“ zum Aufwärmen, was bei den relativ kühlen Temperaturen in der Tat sinnvoll ist. Der Vormittag steht ganz im Zeichen der Schülerpräsentationen. Die deutsche Gruppe hat im Politik-Unterricht untersucht, wie am Berufskolleg Eschweiler mit der Thematik der Nachhaltigkeit umgegangen wird und sich dies in Ausbildung und Beruf fortsetzt. Außerdem beschäftigte sich die Gruppe mit lokalen und regionalen Maßnahmen zur Nachhaltigkeit. Die russischen Schüler legen ihren Präsentations-Schwerpunkt auf Energie und Energieersparnis, wobei sie ein Energiesparhaus vorstellen. Ein weiteres Thema, das in den russischen Vorträgen behandelt wird, ist die Wasserverschmutzung und -reinigung. Insgesamt deutet sich an, dass die Thematik der Nachhaltigkeit in Russland noch keine so große Rolle spielt, was auch darin begründet sein mag, dass das Land sehr groß ist und über immense Bodenschätze verfügt. Die Problematik des nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen der Erde steckt hier noch in den Anfängen, stößt aber bei den russischen Schülern auf großes Interesse.

Nachmittags werden ausgewählte Problemfelder in Kleingruppen untersucht. Jeweils zwei Gruppen beschäftigen sich mit der Problematik des Viktoriabarsches und dem ökologischen Fußabdruck, eine Gruppe verfolgt den Weg, den eine Jeans bei ihrer Herstellung zurücklegt. Vor allem die Präsentationen zum ökologischen Fußabdruck machen deutlich, dass die meisten relativ sorglos mit ihrer Umwelt umgehen und zum Beispiel bei der Wahl der Transportmittel vor allem auf die eigene Bequemlichkeit achten. Es werden allerdings auch kritische Stimmen zu der Problematik laut, was der Einzelne durch sein Verhalten überhaupt im globalen Zusammenhang bewirken kann.

Nach der Auswertung der Gruppenarbeit informieren die Teamerinnen Laura und Elke die Gruppe über Straßburg und das Europaviertel, das am nächsten Tag auf dem Programm steht, ehe es zum Abendessen und ins Eurobistro geht.

Donnerstag, 15. November

Schon um 7 Uhr morgens fahren wir mit dem Bus nach Straßburg – einige holen das Frühstück im Bus nach, weil sie nicht früh genug aus dem Bett gekommen sind. Aber es war eine weise Entscheidung, schon so zeitig zu starten, weil der Verkehr sehr rege ist und wir eine halbe Stunde auf der Autobahn im Stau verbringen. Die Fahrt führt uns zunächst zum Europaparlament. Nachdem alle erfolgreich die Sicherheitsschleuse passiert haben, empfängt uns eine Mitarbeiterin, die uns durch das imposante Gebäude führt. Im Plenarsaal erläutert sie unter anderem, dass das Parlament zurzeit über sieben Fraktionen und auch über zahlreiche fraktionslose Abgeordnete verfügt. Martin Schulz, der aktuelle Präsident des Europäischen Parlaments, der unweit von Eschweiler wohnt, ist leider erst in der nächsten Woche wieder in Straßburg.

Da die Termine bei den europäischen Institutionen sehr gefragt sind, bleibt uns nur eine kurze Mittagpause, die lediglich für einen Halt in einem Einkaufszentrum mit überschaubarer Gastronomie reicht. Um 14 Uhr werden wir bereits am Gebäude des Europarates erwartet. Ein kurzer Film führt uns in die Thematik ein: Im Europarat werden allgemeine europäische Fragen diskutiert mit dem Ziel, die Demokratie in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Auch hier haben wir die Gelegenheit zum Besuch des Plenarsaales.

Für die Straßburger Innenstadt bleiben uns leider nur noch zwei Stunden, die viele nutzen, um sich die Kathedrale und die Altstadt genauer anzusehen. Gegen 20 Uhr kommen wir wieder an der Akademie in Otzenhausen an und genießen das abwechslungsreiche gute Essen.

Freitag, 16. November

Ursprünglich war für den letzten Tag ein Planspiel vorgesehen. Dies hätte jedoch bedeutet, dass die Seminarauswertung und die Vorbereitung der gemeinsamen Abschlussfeier erst nach dem Abendessen hätte erfolgen können. Auch war der Eindruck entstanden, dass den Teilnehmern mehr Gelegenheit gegeben werden sollte, eigene Eindrücke und Erfahrungen mit in die Seminararbeit einzubringen. Also stellt Frau Wessela das Programm um und startet den Tag nach dem schon gewohnten „Warm up“ mit dem „Eine-Welt-Spiel“, bei dem alle Schüler die Bevölkerungsverteilung auf der Erde und den anteilmäßigen Ressourcenverbrauch darstellen. Ein Ergebnis dieser Simulation besteht darin aufzuzeigen, dass die Länder, die die wenigsten Güter verbrauchen, den höchsten „Glücksfaktor“ aufweisen. Daher schließt sich an das Spiel auch eine Weiterarbeit in Kleingruppen an, bei welcher die Schüler auf einem Plakat ihre „Glücksfaktoren“ auflisten und anschließend im Plenum erläutern sollen.

Die Präsentation der Ergebnisse zeigt bei allen Gruppen, dass es eher die Beziehungen zu anderen Menschen sind, die glücklich machen. Hierzu fügt ein russischer Schüler das russische Sprichwort hinzu, das leitend für die weitere Diskussion ist: „Die wichtigsten Dinge im Leben sind keine Dinge!“

Die Seminarauswertung findet nach der Mittagspause statt. Die Schüler können zunächst im Rahmen von verschiedenen Punkteabfragen ihre Position zur Seminardurchführung beziehen. Insgesamt zeigt sich eine große Zufriedenheit mit den Inhalten des Seminars. Wenig Begeisterung riefen die Aufwärmspiele hervor. An einige Stellen hätten sich die Teilnehmer mehr Arbeit in Kleingruppen gewünscht und weniger Vorträge, die zum Teil als recht „universitär“ empfunden wurden. Die Thematik war für die meisten sehr interessant. Die russischen Teilnehmer hielten die Sensibilisierung für „Nachhaltigkeit“ für ein sehr wichtiges Thema, das in Russland noch viel zu wenig beachtet wird. Beim Gegenbesuch in Pskov im Frühjahr sollen Ansätze für den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen im Pskover Gebiet genauer untersucht werden. Ob die guten Vorsätze zu einem sorgfältigeren Umgang mit der Energie durchgehalten wurden, kann sicherlich dann auch thematisiert werden. Insgesamt sind alle sehr zufrieden mit der interkulturellen Begegnung und den Diskussionen im Plenum. Auch die gemeinsame Freizeit und die Einrichtung der Europäischen Akademie werden von allen Teilnehmern positiv hervorgehoben. Abschließend erhalten die Tagungsleiterin, Teamerinnen und Dolmetscher von der Gruppe Abschiedsgeschenke als Dank für ein gut organisiertes und durchgeführtes Seminar.

Der Abschlussabend steht unter dem Motto „Wer erhält die Gunst der Prinzessin?“ Klassenlehrer Christoph Happe (als König von Otzenhausen) und Teamerin Laura (als Prinzessin) erwarten vom „Volk“ besondere Darbietungen, um einen potenziellen Partner für die Prinzessin zu finden. So bereiten einzelne Gruppen eindrucksvolle Vorführungen vor, um Laura zu beeindrucken. Eine russische Mädchengruppe, die unter anderem mit dem Vergleich „Du bist so nett wie ein Hamster“ punktet, gewinnt den Wettbewerb – womit das Problem der „Partnerwahl“ allerdings nur für den König gelöst ist. Der weitere Abend verläuft ausgesprochen harmonisch und alle genießen die gemeinsame Party.

Samstag, 17. November

Die morgendliche abschließende Zimmerkontrolle ergibt keine Probleme und so machen wir uns kurz nach 9 Uhr auf dem Weg nach Hause. Gegen Mittag kommt der Bus in Eschweiler an. Die russischen Schüler werden bereits von den daheimgebliebenen Gastschülern erwartet. Alle haben sich viel zu erzählen und es fließen auch einige Abschiedstränen. Ein letztes Mal gehen wir mit den Gastschülern zusammen essen, um danach zum Flughafen nach Düsseldorf zu fahren. Fast alle deutschen Gastschüler begleiten die russischen Gäste. In Düsseldorf fällt es allen schwer, sich zu trennen, aber es ist ja klar, dass wir im Frühjahr alle im Flugzeug sitzen und nach Pskov fliegen werden. Und in der Zwischenzeit ist es kein Problem, den Kontakt mit Hilfe von Facebook und Skype zu halten. Vielleicht gelingt es uns ja endlich einmal, im Vorfeld des Besuchs regelmäßigen Russisch-Unterricht durchzuführen. Bisher scheiterte dies leider immer an einer gemeinsamen Terminfindung, da die am Projekt teilnehmenden Schüler aus unterschiedlichen Klassen kommen und unterschiedlich lange Unterricht haben. Alle sind sich einig, dass der Besuch der russischen Gäste ein voller Erfolg war und alle freuen sich auf Pskov im Frühjahr.