Land unter in Eschweiler – Unterricht findet statt
Mehrere Male im Jahr besuchen Superintendent Pfarrer Jens Sannig und die Bezirksbeauftragte für den evangelischen Religionsunterricht (RU), Pfarrerin Bernhild Dankert auch die Berufskollegs im Einzugsbereich des Kirchenkreises Jülich. Sie suchen jeweils das Gespräch mit der Schulleitung und den Lehrer*innen, die dort evangelischen RU erteilen. Ein wichtiges Ziel ist dabei, die Unterrichtenden zu ermutigen und zu stärken, die die Kirche in einem besonderen und zuweilen herausfordernden Arbeitsfeld repräsentieren.
Anfang Dezember waren beide Gäste im Berufskolleg Eschweiler. Sie wurden zu einem sehr offenen und vertrauensvollen Gespräch empfangen von Schulleiter Thomas Gurdon, seinem Stellvertreter, Christoph Happe und Giulia Contini, die aktuell sieben Wochenstunden evangelischen RU erteilt.
Der 15. Juli 2021, so erfuhren die Gäste, war für die Stadt Eschweiler wie auch für das Berufskolleg ein einschneidender Tag: die Flutkatastrophe setzte weite Teile der Schule unter Wasser. Umfangreiche materielle Schäden waren die Folge. Und zugleich war die Frage zu klären, wie Unterricht für über 1800 Schülerinnen und Schüler ermöglicht werden könnte
Man verlängerte die Sommerferien um zwei Wochen. Mit tatkräftiger Unterstützung auch von außerhalb der Schule (Pfadfindergruppen, Studierende aus Köln und viele mehr) wurde die Schule von dem befreit, was einmal Mobiliar, technisches Gerät oder Lehrmaterial war, sich jetzt aber zu großen Teilen als Müll darstellte.
Die Sanierung der Schule übernahmen externe Fachleute. Und die Organisation des Unterrichtes lag in den Händen interner Fachleute. An sieben Standorten in der Region fand bis März 2022 Unterricht statt. Die Gastfreundschaft anderer Schulen und Einrichtungen machten es möglich. RWE half tatkräftig mit. Der Aufwand an Organisation zum Gelingen des Schulalltags lässt sich ahnen: Bustransfer, Fahrten der Lehrkräfte und vieles mehr. Aber die Übung ist gelungen durch das große Engagement und die Kreativität der Verantwortlichen.
Corona, Flutkatastrophe, Ukrainekrieg. Diese drei Ereignisse prägen den Schulalltag noch immer. Verlorene Sicherheit, Verzicht auf gewohnte Wege – das und vieles mehr führen zu psychischer Belastung der Schüler*innen und Lehrer*innen. Eine Form der Aufarbeitung war das Erstellen von Bildern. So entstand ein Projekt am Talbahnhof, dessen großformatiges Ergebnis dort zu sehen ist (siehe Foto unten!).
Die Schule erlebte neben allen Belastungen und Verlusten viel Unterstützung finanzieller Art, aber auch durch die erwähnte Gastfreundschaft benachbarter Schulen. OBI und Medeor und andere spendeten über den Förderverein der Schule große Beträge, die in die Erweiterung der Außensportanlagen und in Unterrichtsprojekte flossen.
Aktuell sind die äußerlichen Flutfolgen beseitigt – bis auf die Sporthalle. Und die Schule hat die Zukunft im Blick, auch wenn die vergangenen Jahre natürlich noch sehr präsent sind.
Gut 1800 Schülerinnen und Schüler in der Mehrheit zwischen 16 und 25 Jahren besuchen das Berufskolleg Eschweiler. Neben Lehrerinnen und Lehrern sind stark geforderte Schulsozialarbeiterinnen mit im Boot. Dazu Beratungslehrer*innen, Sonderpädagog*innen, die im Haus befindliche Agentur für Arbeit, Übergangslotsen, aber auch ein Talentscout stehen bei Bedarf zur Verfügung – und der Bedarf ist groß.
Zum Angebot der Schule gehören ein Angebot für Resilienz und Achtsamkeit, ein Benimmkurs, der das Selbstbewusstsein der Schüler*innen stärken soll, Erste-Hilfe und ein Cool-Down-Training, das zur Selbstbeherrschung in kritischen Situationen anleitet.
In den Flüchtlingsklassen gibt es Angebote zur Traumabewältigung. In fünf Klassen werden aktuell 89 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die als Flüchtlinge im Land sind. Hauptziel ist das Erlernen der deutschen Sprache.
Etwa 2/3 der Schüler*innen des Berufskollegs haben einen Migrationshintergrund in der ersten, zweiten oder schon dritten Generation. Die Erfahrung zeigt, dass viele von ihnen eher aufstiegsinteressiert sind. Im Gespräch wurde angeregt, Flüchtlinge und Migranten im Arbeitsprozess Deutsch lernen zu lassen, wofür es in der Region gute Beispiele gebe.
Gute Erfahrung macht man mit den Betrieben, die sich verstärkt um ihre Azubis und Praktikanten kümmern. Bei den schon älteren Schülerinnen und Schülern ist das Engagement der Eltern in der Schule ausbaufähig.
Giulia Contini nutzt ihr geringes Stundenkontingent an evangelischem RU, um mit den Schüler*innen Themen zu bearbeiten, die diese selbst ins Spiel bringen. Viele kommen gerne zum Unterricht, da sie hier frei diskutieren und mitgestalten können. Und sie selbst erlebt gerade das Highlight einer hochmotivierten Klasse. Themen wie „Leben und Tod“ oder „Organspende“ berühren Lebensbereiche der Schüler*innen und werden von diesen deshalb als relevant erlebt. Es melden sich relativ wenige Schüler*innen vom RU ab (ca. 7%). Unterstützung erfährt Frau Contini auch durch eine gut funktionierende Fachkonferenz mit ihren katholischen Kolleg*innen.
Die Gäste vom Kirchenkreis Jülich verabschiedeten sich nach einem beeindruckenden, offenen und vertrauensvollen Gespräch.
© Text und Fotos: Johannes de Kleine, Kirchenkreis Jülich